Sa. 11.02.2006
bis
So. 30.04.2006

Anstiftung zum Raum

Engelbert Kremser

Engelbert Kremser, geboren 1939 in Ratibor (Oberschlesien), ist ein Grenzgänger unter den Architekten, umstritten und eigenwillig. Seine Erdbauweise steht in der Tradition der organischen Architektur. Mit Antonio Gaudi und Friedensreich Hundertwasser teilt er das Interesse, Naturformen in Architektur zu übertragen. Wie sie verpönt er den rechten Winkel. Zu Unrecht ist er fast in Vergessenheit geraten, obwohl seine seit den siebziger Jahren geäußerte Kritik an der spätmodernen Architektur mit ihren banalen Wohnkisten, ihrem Funktionalismus, ihrer Naturferne und ihrem Verkehrsfanatismus heute so aktuell ist wie damals. In Ölbildern auf Kunststofffolie oder Transparentpapier, in Aquarellen und Collagen schafft er eine ganz andere gebaute Welt, die es ihm einige wenige Mal vergönnt war in Realität umzusetzen. Jedoch ließ man ihn nur das bauen, was als „unverdächtig“ erschien: Kindergärten und Spielhäuser. Für sein Spielhaus am Senftenbergring im Märkischen Viertel in Berliner (1969-1973) oder das Café für die Bundesgartenschau in Berlin-Britz (1977-1985) ließ er Erdhügel aufschichten und strukturierte diese mit Harken und selbstgebauten Werkzeugen, dann ließ er die Negativformen mit Stahlamirungen ummanteln und eine Beton- und Dämmschicht aufbringen. Schließlich wurde die Erde unter dieser Ummantelung abgetragen. Übrig blieben die bizarren, gegossenen Schalen – erstarrte Positivabdrücke der lebendigen Erde. Kremser bezeichnet seine Konstruktionen deshalb auch als Erdarchitekturen. Für Einzelelemente wie Brüstungen, Stützen, Balkone oder Vordächer ließ er auf Holzgerüsten Erdmodellierungen als Schalungsformen aufbringen wie für das Berliner Pflanzenschutzamt (1987-1990). Oftmals arbeiteten auch Kinder mit, für die er baute. Für Kremser sind Kinder die geborenen (Erd-)architekten und Ingenieure. Die Realisierung der geschwungenen und gekurvten Formen aber war eine Herausforderung. Daher dachte Kremser bereits in den siebziger und achtziger Jahren über Verfahren nach, mit deren Hilfe digital gesteuertes Baugerät die Modellmaße auf die Erdschalung direkt übertragen konnte. Dies waren Verfahren, wie sie in der Auto- und Flugzeugindustrie damals schon verbreitet waren. Erst Jahre später sollten mit Unterstützung von computeranimierter Software solche komplexen Verfahren in der Architektur möglich sein, die mit den Blobmeistern auch das Erscheinungsbild der Architektur nachhaltig veränderten. Was Kremser erträumte, könnte heute einfacher realisiert werden. Kremser, der Anfang der sechziger Jahre an der Technischen Hochschule in Berlin bei Willy Kreuser studierte, arbeitete nach dem Studium bei Hans Scharoun zu einer Zeit, als dieser die Philharmonie baute. Dieser höhlenartige Konzertraum, von geschwungenen Treppenläufen ummantelt, wurde für Kremser ebenso zur Anregung wie Hans Pölzigs Theater- und Kinohöhlen, Hermann Finsterlins groteske „Wohnlinge“ und Antonio Gaudis geknetete Bauwerke oder die stalaktitenartigen Labyrinthe des Juan O’Gormans in Mexiko.

Die Ausstellung stellt aber nicht den Erdarchitekten als vielmehr den Maler und Visionär Engelbert Kremser in den Mittelpunkt. In seinen Ölbildern und Collagen ist Kremser frei von allen einengenden Vorgaben. Er schätzt hier vor allem die Spontaneität der Entscheidung. Seine Bilder und die Ausschnitte, die er seit 2003 aus diesen herausfotografiert und vergrößert, beschwören eine Gegenwelt zu der von ihm als trist und oft unmenschlich empfundenen Alltagsarchitektur. „Die Wirbel, Schleiertänze, Rauschträume dieser Bilder sind von unwiderstehlichem Optimismus. Sie sind raumsüchtig und machen raumsüchtig. Ihre Farbbahnen ziehen den Betrachter in die Tiefe, reißen Schlünde auf, fegen wie Tornadosäulen durch die Bildräume, stauen und verknoten sich, stiften Himmelfahrten an; kurzum, sie plädieren für ein anderes, vitaleres Raumerlebnis als das der einfachen stereometrischen Körper, der flachgelegten oder hochkant gestellten Kisten“ (Wolfgang Pehnt). Aber immer haben diese Bilder mit dem Thema Raum zu tun, auch wenn sie keine Grund- und Aufrisse oder architektonische Details zeigen. Sie suggerieren ganz ungewohnte Raumqualitäten. „Kremser bleibt Architekt, auch wenn er malt“ (Wolfgang Pehnt).

Veranstaltungsort:
Deutsches Architektur Museum
Schaumainkai (Museumsufer) 43
Germany - 60596 Frankfurt am Main

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Telefon:
+49 - 69 - 212 38844
Fax:
+49 - 69 - 212 37721
Weitere Infos:
http://dam.inm.de/portal/WebObjects/DAM.woa/1/wo/PJBWOTfPTbJj18tDbIY7rw/1.26.0.2.0.3.0.1.4
Kategorie:
Ausstellung

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